„Wir brauchen neue Formen!“ Das ist das Credo, das Treplew, den jungen Schriftsteller bewegt. Die Theater sind für ihn verstaubt. Treplew ist ein Erneuerer, ein revolutionärer Geist. Er scheitert jedoch an einer Gesellschaft, die ihm keine Chance gibt. Ist das tragisch oder komisch? Anton Tschechows gesellschaftskritische Stücke bewegen sich auf einer Gratwanderung zwischen diesen beiden Polen.

Hier ein Ausschnitt:

Treplew:
„… Meine Mutter – ein psychologisches Kuriosum. Unstreitig sehr begabt und klug, über einem Buch kann sie bitterlich weinen; den ganzen Nekrassow kann sie auswendig, und am Krankenbett ist sie ein Engel; aber versuch mal, in ihrer Gegenwart die Duse zu rühmen! Oh! Nur sie allein soll man loben, nur von ihr schreiben, von ihrem unübertrefflichen Spiel in der »Kameliendame« oder im »Dunst des Lebens« entzückt sein. nd weil sie hier, auf dem Lande, diesen Rausch entbehren muß, so langweilt sie sich, ist wütend – und wir alle sind natürlich Schuld daran, wir alle sind daran schuld. Dann ist sie auch abergläubisch, erschrickt, wenn sie drei brennende Kerzen sieht, hat Angst vor der Zahl dreizehn. Und geizig ist sie – sie hat in Odessa siebzigtausend Rubel auf der Bank liegen, das weiß ich genau. Will man aber von ihr eine Kleinigkeit borgen – dann weint sie.
die Blättchen einer Blume abzupfend:
Sie liebt mich – liebt mich – liebt mich nicht, liebt mich – liebt mich nicht. Lacht. Siehst du, meine Mutter liebt mich nicht. Kein Wunder: Sie will leben und lieben, sie will helle Kleider tragen – und ich, ihr Sohn, bin fünfundzwanzig Jahre alt und erinnere sie beständig daran, daß sie nicht mehr jung ist. Wenn ich nicht da bin, ist sie zweiunddreißig, in meiner Gegenwart aber dreiundvierzig. Und darum haßt sie mich.