Halte das Steuer fest in der Hand

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und lass dich von nichts beirren! Der Sturm tobt um dich herum – unheimlich, stark und du bist Kapitän in deinem Schiff. Du musst das Steuer halten, komme was wolle! Kannst du das? Es erfordert große Konzentration, Vertrauen, Kraft und Verbindung mit deiner Körpermitte. Und du brauchst das Vertrauen, dass irgendwann der Sturm auch wieder vorbei ist.


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Die Nacht, vom wachsenden Sturme bewegt,
wie wird sie auf einmal weit -,

als bliebe sie sonst zusammengelegt
in die kleinlichen Falten der Zeit.
Wo die Sterne ihr wehren, dort endet sie nicht
und beginnt nicht mitten im Wald
und nicht an meinem Angesicht
und nicht mit deiner Gestalt.
Die Lampen stammeln und wissen nicht:
lügen wir Licht?

In solchen Nächten geh’n die Gefängnisse auf.
Und durch die bösen Träume der Wächter
geh’n mit leisem Gelächter
die Verächter ihrer Gewalt.
Wald! Sie kommen zu dir, um in dir zu schlafen,
mit ihren langen Strafen behangen. Wald!

In solchen Nächten ist auf einmal Feuer
in einer Oper. Wie ein Ungeheuer
beginnt der Riesenraum mit seinen Rängen
Tausende, die sich in ihm drängen,
zu kauen. Männer und Frauen
stauen sich in den Gängen,
und wie sich alle aneinander hängen,
bricht das Gemäuer, und es reißt sie mit.
Und niemand weiß mehr wer ganz unten litt;
während ihm einer schon das Herz zertritt,
sind seine Ohren noch ganz voll von Klängen.

In solchen Nächten sind alle die Städte gleich,
alle beflaggt.
Und an den Fahnen vom Sturm gepackt
und wie an Haaren hinausgerissen
in irgend ein Land mit ungewissen
Umrissen und Flüssen.
In allen Gärten ist dann ein Teich,
an jedem Teiche dasselbe Haus,
in jedem Hause dasselbe Licht;
und alle Menschen sehn ähnlich aus
und halten die Hände vorm Gesicht.
In solchen Nächten werden die Sterbenden klar,
greifen sich leise ins wachsende Haar,
dessen Halme aus ihres Schädels Schwäche
in diesen langen Tagen treiben,
als wollten sie über der Oberfläche
des Todes bleiben.
Ihre Gebärde geht durch das Haus
als wenn überall Spiegel hingen;
und sie geben – mit diesem Graben
in ihren Haaren – Kräfte aus,
die sie in Jahren gesammelt haben,
welche vergingen.

Rainer Maria Rilke, 21.1.1901, Berlin-Schmargendorf